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„Shakespeare is like sex!“

OMG! Ein 90-minütiger Vortrag über Shakespeare und das Theater. Auf Englisch. Und das auch noch am Abend vor Altweiberdonnerstag. Viele Schüler der Oberstufen-Englischkurse wirkten bei diesen Aussichten nicht gerade begeistert. Die Voraussetzungen hätten also für Patrick Spottiswoode kaum schlechter sein können – und doch endete seine „Lecture Performance“ mit begeistertem Applaus.

Bereits nach seinem ersten Satz war dem Director of Education am berühmten Globe Theater in London die volle Aufmerksamkeit des Publikums sicher: „Shakespeare is like sex!“, behauptete er. Das erste Mal sei peinlich und frustrierend. Es werde aber mit der Zeit besser und besser. „But you have to perform it!“

Spottiswoode dozierte nicht, er zeigte vollen Einsatz von Stimme, Mimik und Körper auf der Bühne und begeisterte mit Witz und Präsenz. Sein Auftritt im Forum war kein dröger Vortrag, sondern eine lebendige One-Man-Show. Selbst anfängliche Skeptiker konnten der Lecture dank Spottiswoodes gut verständlichem Englisch viel besser folgen als befürchtet und erfuhren so eine Menge Wissenswertes über Shakespeares Zeit: Über den damaligen Status des Theaters, über die Stimmung im „Playhouse“ und den anarchischen Ruf, der ihm vorauseilte. Warum? Theaterschauspieler waren im 16. Jahrhundert noch weniger angesehen als Prostituierte und trugen dennoch auf der Bühne die Kleidung von Adeligen und Königen – das galt als Rebellion gegen das Ständewesen. Kein Wunder, dass die Obrigkeit Angst davor hatte, die Theaterleute könnten mit ihren emotionalen Stücken einen Aufruhr entfachen. Gespielt wurde bei Tageslicht, das Publikum stand im Kreis um die Bühne herum. Jeder konnte jeden sehen. Die Stimmung war entsprechend aufgeheizt, ein bisschen vergleichbar mit unseren heutigen Fußball-Lokalderbys. Das Theater zu Shakespeares Zeiten war demnach ein rauer Ort. Verrucht, gefährlich und alles andere als ein Refugium für Bildungsbürger.

Damals hätten Jugendliche bei der Aussicht auf einen Theaterbesuch wohl kaum mit den Augen gerollt. Im Gegenteil: Sie hätten alles dafür getan, ein Teil der „Crowd“ im rustikalen „Playhouse“ zu werden. Erste heute, so Patrick Spottiswoode, sei Theater „Kultur“, das Theater ein „dunkles Rechteck“ und die vitalen Stücke Shakespeares fristeten ihr Dasein als getrocknete Rosen in den Vasen von Englischkurs-Klassenzimmern.

Bleibt zu hoffen, dass Shakespeare ab jetzt zumindest in den Köpfen der Englischschüler am GBG lebendig bleibt und Patrick Spottiswoodes Lecture ihre nachhaltige Wirkung beim einen oder anderen auch in Klausur- und Prüfungszeiten entfalten kann.

Patrick Spottiswoode habe ich beim Neusser Shakespeare-Festival kennengelernt und ihn mit seiner Lecture zu uns nach Köln eingeladen. Die Lehrerinnen und Lehrer der Fachschaft Englisch haben ihre Schülerinnen und Schüler darauf eingestimmt und für eine Teilnahme gewonnen. Wie schön, dass das alles nach langem Vorlauf endlich geklappt hat!

Heike Byn, Kulturlotsin am GBG

(Foto: Christoph Krey)

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